Vom Bodensee nach Torquay, England – Johanna Häfele und das Programm “go for europe”
Veröffentlicht am 12. November 2018
Johanna Häfele, 18 Jahre alt, hat sich den Wunsch erfüllt, von dem viele in ihrem Alter träumen: sie war 4 Wochen bei einer Gastfamilie in England! Um beim Programm „go for europe“ mitmachen zu können, überzeugte sie ihren Ausbildungsbetrieb, schickte ihre Bewerbungsunterlagen ab und freute sich riesig, als ihre Zusage im Briefkasten landete. Vom Bodensee nach Torquay, England – Johanna Häfele erzählt uns von ihrer Reise und ihren Erlebnissen.
Liebe Frau Häfele, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Telefonat nehmen. Starten wir direkt mit der wichtigsten Frage: Wieso wollten Sie am go for europe Programm teilnehmen?
Ich kenne eine Augenoptikermeisterin, die vor einigen Jahren an diesem Programm teilgenommen hat und habe sowohl in der Schule als auch in der Ülu mehr darüber gehört. Aber vor allem hatte meine Bekannte nur positives zu berichten und machte mir den Auslandsaufenthalt wirklich richtig schmackhaft! Ich wollte sowieso schon immer mal längere Zeit ins Ausland und während meiner Ausbildung einen anderen Betrieb sehen. Also habe ich mich beworben!
Das Programm zielt ja darauf ab, dass man vom Ausbildungsbetrieb dahingehend unterstützt wird, dass Sie als Auszubildende freigestellt werden. Wie war das Gespräch mit Ihrem Betrieb, als Sie Ihren Wunsch geäußert haben?
Ich musste schon Überzeugungsarbeit leisten! Aber jeder Ausbildungsbetrieb profitiert ja auch von so einem Aufenthalt im Ausland. Ich bin mit einem verbesserten Sprachschatz wieder zurückgekehrt! Mein Betrieb ist in Friedrichshafen und wir haben schon den ein oder anderen Kunden, mit dem wir uns auf Englisch unterhalten müssen. Und das kann ich jetzt viel besser und sicherer als vorher! Außerdem möchte ich gerne einen Bericht für die örtliche Zeitung schreiben, und von der „Werbung“ profitiert mein Betrieb dann bestimmt auch. Also man kann sagen, ich hatte gute Argumente für eine Teilnahme am Projekt!
Sie haben Ihre Bewerbung abgeschickt, wurden angenommen und im Vorfeld der Reise zu einem Vorbereitungstag eingeladen. Was passierte an diesem Tag?
Wir erfuhren vor allem Details zur Reise und zu unserem Reiseland. Welche kulturellen Unterschiede gibt es, worauf müssen wir bei Gestik und Mimik achten, wie verhält man sich generell im Arbeitsleben – solche Dinge wurden angesprochen. Das war gut und auch sehr wichtig!
„go for europe“ wird bereits seit einigen Jahren angeboten. Auszubildende können sowohl zwischen Zeiträumen als auch Ländern wählen. Haben Sie bei der Organisation spüren können, dass bereits Erfahrung im Projekt steckt?
Die Organisation war wirklich richtig toll! In Deutschland wurden wir super betreut und vor Ort von der Partnerorganisation auch. Unser Hinflug war am 23. September 2018 und leider etwas holprig. Wir sind von Stuttgart über Zürich nach London Heathrow geflogen. Die Partnerorganisation hat uns dann dort abgeholt und die Strecke zu unserer Gastfamilie gefahren. Das dauerte dann noch einmal ca. 3 Stunden. Für den Rückflug wurden wir auch wieder an den Flughafen gebracht, wir mussten uns also nicht um Bustickets oder so kümmern. Das ist natürlich super komfortabel und man hat keine Bedenken, den Flug zu verpassen. Der Rückflug am 20. Oktober 2018 war übrigens dann ein Direktflug nach Stuttgart.
So ein Aufenthalt wird ja leider nicht verschenkt. Wie läuft das mit den Kosten?
Wir haben einen maximalen Eigenanteil von 550 Euro zu tragen. Die Schlussrechnung erhalten wir jetzt in der nächsten Zeit, also erst nach dem Aufenthalt. Wenn wir Tickets für den Bus oder Zug oder so kaufen mussten, haben wir die Quittungen behalten und reichen sie ein. Es gibt also nicht so was wie versteckte Zusatzkosten.
Wo genau lebte Ihre Gastfamilie?
Sowohl meine Gastfamilie als auch mein Betrieb waren in Torquay, an der Südküste von England, in der Grafschaft Devon an der „Englischen Riviera“. Eine ganze tolle Gegend, um England kennenzulernen! Auf dem Hinflug war ich bereits mit einer Schreiner-Azubine und zwei Auszubildenden aus dem Konditoren-Handwerk zusammen – die Schreinerin war dann auch mit mir zusammen bei der Gastfamilie untergebracht. Wir wurden so herzlich empfangen und bekamen wirklich gutes Essen! Ich denke, da die Familie öfter Gaststudenten aufnimmt, kennt sie die deutschen „Gelüste“ beim Essen (lacht). Die vier Kinder sind schon erwachsen, zwei wohnen noch im Haus. Aber mit den Kindern hatten wir nur sehr wenig zu tun.
Welche Unterschiede sind Ihnen im Betrieb vor allem aufgefallen?
Der englische Augenoptiker ist dem deutschen Augenoptikermeister nicht so ähnlich. Mein Betrieb hatte eine Art Wartezimmer, wie beim Arzt. Vor allem wurden dort Augenuntersuchungen gemacht. Die duale Ausbildung wie bei uns gibt es in England nicht. Dort sind die Augenoptiker oder Optometristen eher Ärzte und verweisen Kunden auch an Krankenhäuser zur Abklärung eventueller Krankheiten. Mein dortiger Betrieb war Vision Express, der drittgrößte Augenoptiker in Großbritannien. Vision Express hat 593 Filialen in England, Schottland, Wales, Nordirland und Jersey mit mehr als 4.000 Mitarbeitern.
Wie sah Ihr Tagesablauf aus?
Zu Beginn war ich vor allem zur Begrüßung eingeteilt und habe die Kunden zu ihren Plätzen begleitet. Eigene Beratungen waren nicht möglich, das lag an mehreren Aspekten. Erstens wurden die Beratungen natürlich auf Englisch durchgeführt, dafür kann ich die Sprache leider nicht flüssig genug. Zweitens wurden die Beratungen immer so ausgeführt, dass direkt alles in eine Software eingetragen, quasi direkt eine Bestellung getätigt wurde. Und Augenuntersuchungen sind nicht Teil unserer Ausbildung, daher war mir das nicht möglich. Aber ich durfte dabei sein und auch Fragen stellen, die mir wichtig erschienen. Die Arbeitszeiten sind auch anders als ich es kenne. Ich habe von 9 bis 17 Uhr gearbeitet, der Betrieb schließt jeden Tag um 17:30 Uhr. Und jedes Wochenende hatte ich frei. Die Zeit konnte ich dann super nutzen, um mehr von der Gegend zu sehen.
Sie sagen, Sie haben viele der Kunden begrüßt. Wie haben diese auf eine deutsche Austausch-Auszubildende reagiert?
Ich kann mich nur an angenehme Situationen erinnern. Die meisten Kunden waren sehr interessiert an meinen Zielen, Wünschen, Gründen für den Aufenthalt und haben meine Sprachkenntnisse gelobt. Englisch ist ja die Weltsprache, daher lernen die meisten Briten keine andere Sprache und sind sehr davon angetan, wenn sie sich mit Menschen anderer Nationen in ihrer Muttersprache unterhalten können. Da bekommt man viel positives Feedback!
Das klingt, als hätten Sie anfangs Bedenken zum Stand Ihrer Sprachkenntnisse gehabt?
So kann man das sagen, ja. Ich hatte direkt das Gefühl, dass die anderen Azubis einen größeren Wortschatz hatten als ich. Aber das macht nichts, wenn man keine Angst davor hat, einfach frei von der Leber weg zu sprechen! Ich habe mich jeden Tag sicherer gefühlt und bin davon überzeugt, mein Englisch wirklich verbessert zu haben. Es ist also nicht schlimm, wenn man als Austausch-Azubi keine tausendprozentigen Sprachkenntnisse hat – das gibt sich, Tag für Tag! Der Sprachschatz erweitert sich, sowohl beruflich als auch in der Alltagssprache.
Welches war Ihr schönstes Erlebnis im Betrieb?
Ich fand es super, dass meine Kollegen mich an meinem letzten Abend zum gemeinsamen Essen eingeladen haben. Da habe ich noch einmal die Herzlichkeit und Wertschätzung hautnah erlebt. Das war wirklich ein tolles Gefühl. Generell war es täglich eine schöne Erfahrung, wie freundlich und herzlich die Briten zu uns waren. So manch einer in Deutschland kann sich davon eine Scheibe abschneiden!
Wie war die Freizeitgestaltung nach der Arbeit und am Wochenende?
Wir haben uns natürlich die Gegend angesehen. Z. B. waren wir Jetski fahren und haben mit dem Zug die Grafschaft erkundet. Die Organisation sah so aus, dass die meisten von uns donnerstags ganz frei hatten, weil sich Vertreter der Partnerorganisation um 14 Uhr mit allen Austausch-Azubis getroffen haben, um etwas zu unternehmen. Wir haben ein Model-Village besucht und waren in einem Hotel zum „Cream Tea“. Dienstags abends haben wir uns alle in einem Pub getroffen. Natürlich waren nicht nur Deutsche in dem Programm, und so konnte ich mich auch mit vielen Schweizern, Spaniern und Franzosen austauschen. Das war sehr interessant!
Nun sind Sie seit ein paar Tagen wieder in der Heimat und konnten Ihren Aufenthalt „sacken lassen“. Hand aufs Herz: Würden Sie das Projekt weiterempfehlen?
Ich empfehle jedem, sich über das Programm zu informieren und mit seinem Ausbilder über eine Teilnahme zu sprechen. Es braucht zwar gute Argumente, aber die liegen eigentlich auf der Hand. Es war eine super tolle Zeit und ich war bestimmt nicht das letzte Mal in England.